Die Ruine der Tellenburg bei Frutigen gehört zu den eindrücklichsten Burganlagen des Berner Oberlandes. Sie liegt dominant auf einem steilen Hügel nördlich des Eingangs zum Kandertal.
Vorgehen
Vorbereitung
Bezug heute – früher
Befestigte Paläste
Aus praktisch allen Kulturepochen der Welt sind befestigte und damit auch wehrhafte Wohnanlagen bekannt. Vergleichbare Bauten gibt es auch heute: Wir denken hier an gesicherte private Villenanlagen von Superreichen. Aber auch weniger luxuriöse Privathäuser besitzen oft hohe Zäune mit Videoüberwachung und was im Mittelalter den adligen Kriegern oblag, erledigen heute private Wachleute oder elektronische Überwachungsanlagen.
Mittelalterliche Burgen waren keine Festungen, sondern befestigte adlige Wohnbauten, die durch ihre Lage und ihr trutziges Aussehen symbolhaft und weithin sichtbar die Wehrhaftigkeit des Burgherrn betonten.
Militärische Festungen
Heutige Festungen sind oft unterirdisch angelegt und ihre Lage ist der Allgemeinheit unbekannt, weil geheim. Möglicherweise kennen die Schülerinnen und Schüler Festungsanlagen, die aufgegeben worden sind, so beispielsweise Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, welche besichtigt werden können.
Mit den Schülerinnen und Schülern kann über die Thematik «Befestigte oder gesicherte Anlagen» gut gesprochen werden, da sie sicher aus eigener Erfahrung über solche Bescheid wissen. Was unterscheidet sie völlig von mittelalterlichen Burgen? Weiter kann erörtert werden, warum Festungen heute meist unterirdisch angelegt sind.
Der Transfer «heute – früher», von heutigen hochgesicherten Anwesen zu befestigten Burganlagen, ist deshalb empfehlenswert.
Themen, die vorgängig behandelt werden können
Damit die Schülerinnen und Schüler die zu besuchende Fundstelle ergiebiger erkunden, erschliessen und auch begreifen können, ergibt es Sinn, vorgängig die Thematik «Alltag in einer mittelalterlichen Burg» im Unterricht zu beleuchten. Dazu eignet sich besonders das IdeenSet «Alltag im Mittelalter», Kapitel «Burg»: Selbstlernend können die Schülerinnen und Schüler hier eine Burganlage erkunden und sich das nötige Wissen zusammentragen.
Hilfreiche Lehrmittel
Anschauungsmaterialien und weiterführende Literatur speziell für Schülerinnen und Schüler sind im Mittelalterkoffer beziehungsweise in der Medienkiste Mittelalter zu finden:
Mittelalterkoffer: archäologische Objekte aus dem Mittelalter
Hilfreiche Literatur zur Tellenburg
Hans Egli und Peter Fries, Tellenburg. Kulturgutstiftung Frutigland. Frutigen 2022. (Aufschlussreiches und gut illustriertes Buch über die Geschichte der Tellenburg.)
1. archäologische Spuren forschend wahrnehmen
Fragen und Vermutungen
Wo befinden wir uns? Wie ist der Ort in der Landschaft eingebettet? Was erkennen wir?
Aufträge und Lernaktivitäten
- Macht euch Gedanken zum Standort der Burgruine und betrachtet die weitere Umgebung (den Flusslauf, das Tal, die Bergketten).
- Was fällt euch an der Lage der Burg auf? Besprecht es miteinander.
- Wo befinden wir uns geografisch?
- Schaut zusammen auf der Landkarte nach, wo sich die Tellenburg befindet.
- Betrachtet jetzt das Flugbild und sucht darauf die Ruine.
- Vergleicht die Karte mit der Flugaufnahme: Welche ist für eure Orientierung hilfreicher?
- Sucht auf dem Ausschnitt der Landeskarte die Höhenangaben von «Rybrügg» an der Kander und vom Burgplatz «Tellenburg». Rechnet den Höhenunterschied aus. So wisst ihr, wie viele Meter über dem Flusslauf Kander die Burgstelle liegt. Trägt den Höhenunterschied in euer Exkursionsblatt ein. Jetzt wisst ihr, wie viele Meter ihr bis zur Burgstelle hochgestiegen seid. Diesen Aufstieg mussten die Leute auch früher bewältigen, wenn sie die Burg aufgesucht haben.
2. archäologische Spuren handelnd erschliessen
Fragen und Vermutungen
Was ist zu sehen? Wo genau wurde diese Anlage errichtet? Was ist das Besondere an der Standortwahl der Burg? Welche Gebäudeteile, die zur Ruine gehören, sind gut erkennbar?
Aufträge und Lernaktivitäten
Übersicht über die Burgruine Tellenburg gewinnen
- Umrundet zuerst die ganze Ruine und schaut sie euch von allen Seiten genau an. Dann könnt ihr beginnen, Fotos aufzunehmen. Sie dienen euch später für eure Exkursionsdokumentation oder für eine Präsentation. Steigt noch nicht in den Turm.
- Zeichnet jetzt einen Plan (Grundriss) der Anlage.
- Nehmt einen Kompass und zeichnet den Nordpfeil im Plan ein.
- Sucht euch einen guten Standort, von dem aus ihr eine Ansichtszeichnung der Ruine machen könnt, welche möglichst viele Details von ihr zeigen.
- Schaut euch genau an, wie die Mauern auf und an den natürlichen Felsen errichtet wurden. Verfolgt diese Trennlinie genau.
- Messt mit Messband und Klappmeter an gut zugänglichen Stellen die Dicke der Mauern und trägt die Masse auf eurem Plan ein.
- Vermesst mit dem Messband die Seiten des Turms. Was fällt euch dabei auf?
- Notiert drei besondere Merkmale zur Lage dieser Burg
3. archäologische Spuren deuten
Fragen und Vermutungen
Welchem Zweck könnte die Anlage gedient haben? Wer hat sie gebaut? Welche Spezialisten (Handwerker) haben hier gewirkt? Woher stammen die Baumaterialien? Wie lange hat es wohl gedauert, bis die ganze Anlage erbaut war? Wie alt könnte die Anlage ungefähr sein? Scheint alles gleich alt zu sein?


Aufträge und Lernaktivitäten
Das Mauerwerk unter die Lupe nehmen
- Woher stammt das Steinmaterial? Überlegt euch, wie diese riesige Masse an Steinen auf den Burgplatz hochgekommen ist. Welche Hilfsmittel wurden dabei eingesetzt?
- Womit wurden die Steine befestigt? Kennt ihr dieses Material vom heutigen Mauerbau her? Welche Werkzeuge und welches weitere Baumaterial haben die Maurer verwendet? Erstellt eine Liste.
- Erkennt ihr, welche Steinarten die Maurer zum Mauerbau verwendet haben? Wisst ihr, wie einige davon heissen?
- Findet ihr an den Steinen die Spuren von Werkzeugen? Zeigt sie einander und macht Detailfotos.
- An einigen Mauerflächen findet ihr weisse, kreideartige Stellen. Könnt ihr euch erklären, was diese bedeuten könnten?
- Stellt euch zu einer der höchsten Mauern und blickt nach oben. So erkennt ihr, wie präzis die Maurer das Gesteinsmaterial aufgemauert haben.
- Sucht den ursprünglichen Eingang in den Hauptturm. Warum ist er so hoch oben gelegen? Besprecht eure Überlegungen miteinander.







Eine besondere Pflästerung
Vor dem Turmeingang liegt eine sorgfältig verlegte Pflästerung, welche das Ausrutschen auf dem ansteigenden Weg verhindern sollte. Betrachtet genau, aus welchen besonders geformten Steinen die Pflästerung zusammengesetzt ist. Ihr kennt die Steine und sicher habt ihr sie bereits einmal flach übers Wasser geworfen, damit sie hüpfend davonschiefern. Wie viele solcher Steine mussten da wohl in der Kander zusammmengesucht und zur Burg hinaufgebracht werden?

Der Turm
Jetzt könnt ihr den Turm durch den Eingang, welcher erst 1749 in den mittelalterlichen Turmfuss gebrochen wurde, betreten:
- Betrachtet zuerst das Turminnere von unten nach oben. Steigt vorsichtig über die Metalltreppen hoch. Sucht dabei die Löcher in den Turmwänden: Wofür dienten diese Löcher? Besprecht eure Vorstellungen miteinander.
- Zählt die Fensternischen und stellt euch vor, wie finster es in diesem Bergfried ursprünglich gewesen sein muss. Weshalb gab es darin nicht viel grössere Fenster?
- Ihr findet beim Hochsteigen den ursprünglichen Eingang in den Turm: Schätzt die Höhe des Eingangs. Warum ist er wohl so hoch über dem Burggraben angelegt worden? Messt die Mauerdicke mit dem Klappmeter.
- Wenn ihr zuoberst angekommen seid, betrachtet die nahe und weite Umgebung. Hier könnt ihr deutlich erkennen, warum die Burg gerade an dieser Stelle errichtet worden ist. Besprecht eure Überlegungen miteinander.
- Schliesst einen Moment eure Augen und stellt euch vor, wie die Gegend im Mittelalter wohl ausgesehen haben mag. Besprecht eure Gedanken miteinander!

4. archäologische Spuren bewerten
Fragen und Vermutungen
Wie kann die Anlage kulturgeografisch und zeitlich/geschichtlich verortet werden? Welche sozialen Bezüge sind mit dieser Anlage verbunden? Wie hat man sich die Anlage in ihrem Originalausbau vorzustellen?
Aufträge und Lernaktivitäten
- Sucht auf dem ausgelegten Zeitstrahl möglichst genau die Epoche, welche zu diesem archäologischen Fundort passen könnte. Welche Bauwerke, die ihr kennt, gehören auch in diese Epoche?
- Beantwortet zusammen folgende Fragen:
- Wer lebte alles auf der Burg? Listet in Stichworten alle speziellen Bewohnerinnen und Bewohner auf.
- Welche Aufgaben hatten diese Leute zu erfüllen?
- Welche Tiere hat es auf der Burg wohl gegeben? Wofür brauchte man sie?
- Wer versorgte die Bewohnerinnen und Bewohner der Burg mit Nahrung?
Anregungen für ein Klassengespräch
(Information für Lehrperson)
Warum und wozu wurde diese Burg errichtet?
Die Burg mit Turm und umgebender Mauer und Wohnbau wurde als Zentrum der Grundherrschaft errichtet. Sie diente zum Schutz der Sust von Frutigen, der Kanderbrücke, der Verkehrswege in der Talebene und der Wege, welche zu den Pässen Gemmi und Lötschenpass führten. Die Burganlage wurde von der lokal bedeutenden Ritterfamilie von Kien errichtet und war wohl auch das Verwaltungszentrum des Grundherrn.
Warum gerade an dieser Stelle?
Die Burg wurde an einem strategisch wichtigen Ort errichtet: Sie steht auf einem steilen Hügel 85 m oberhalb der Talebene. Von hier aus konnte man die damals praktisch unbebaute Talebene gut überwachen. Der weithin sichtbare Burgturm hatte für die Umgebung Repräsentationscharakter für die weltliche (adlige) Macht und hob sich von den einfachen, ländlichen Holzbauten ab.
Wer hat diese Burg gebaut?
Die Planung und der Bau eines solchen Turms und seiner Ringmauern waren recht anspruchsvoll. Es bedurfte dazu verschiedener und erfahrener Fachleute: eines gut ausgebildeten Architekten/Baumeisters, des sogenannten magister operis, und eines professionellen Bautrupps, welcher Erfahrung im Errichten von Türmen und Mauern hatte. Die erhöhte Lage der Burg, insbesondere auch ihr Turm, bedeutete eine gefährliche, kräfte- wie auch zeitraubende Arbeit.
Welche Spezialisten (Handwerker) brauchte es dazu?
Dazu gehörten ausgebildete Maurer, Schmiede, Zimmerleute, Schindelmacher, Dachdecker und Kalkbrenner. Weiter benötigte man viele Hilfskräfte aus der Gegend, welche das Baumaterial beschaffen mussten. Anzunehmen ist, dass die körperlich schwersten Arbeiten – insbesondere der Steintransport von der Talebene der Kander bis hoch zum Bauplatz – mithilfe von Ochsenkarren und ansässigen Männern erledigt wurden.
Ebenso bedurfte es einer beachtlichen Menge an Holz, welches im umgebenden Wald geschlagen, gerüstet und zum Bauplatz geschleift wurde. Es diente als Bauholz für Gerüste, für Tragbalken, Holzdecken, Bohlenwände und für Dachstühle, aber auch als Brennholz zum Brennen von Kalkmörtel auf dem Bauplatz.
Für die Verpflegung der Arbeitenden sorgten Köche und Mägde. Die Nahrungsmittel lieferten Bauern der umgebenden Höfe.
Wer lebte alles auf der Burg? Welche Aufgaben hatten diese Leute zu erfüllen?
Als Stammsitz eines Ritters lebte dieser sicher mit seiner Familie hier. Zur alltäglichen Versorgung der Burg gehörten Bedienstete, wie Mägde für die Alltagsarbeiten, Knechte zum Pflegen der Pferde und einige Krieger zum Bewachen der Burg und zum Schutz der Adelsfamilie. Später lebte hier der Landvogt mit wenigen Knechten und Mägden sowie einem Schreiber.
Welche Tiere hat es auf der Burg wohl gegeben? Wofür brauchte man sie?
Auf der Burg gab es Reitpferde, Geflügel (Hühner und Gänse), Wach- und Jagdhunde. Katzen brauchte man zum Jagen von Mäusen oder Ratten. Eine Schweinehaltung kann man sich zwischen Ringmauer und Turm vorstellen. Hier befanden sich auch die Stallungen der Tiere.
Wer versorgte die Bewohnerinnen und Bewohner der Burg mit Nahrung?
Die tägliche Nahrung wie Gemüse und Frischfleisch lieferte der zur Burg gehörige Bauernhof. Die Abgaben der bäuerlichen Bevölkerung kamen nur einmal pro Jahr und wurden meist auf den Märkten der umliegenden Dörfern verkauft. Haltbares, vor allem Getreide, wurde oft in der Burg gelagert oder in der nahen Burgmühle zu Mehl gemahlen, denn Brote wurden in der Burg selbst gebacken. Die dem Adel vorbehaltene Jagden dienten in erster Linie nicht der Fleischbeschaffung, sondern galten vor allem als sportliches Vergnügen.
Warum ist diese ganze Anlage heute eine Ruine?
Aus Unachtsamkeit brach 1885 ein Brand aus, welcher das ganze Schloss zerstörte. Übrig blieben nur die heute sichtbaren Ruinen.
weiterführend
Vertiefung vor Ort
- Vorbereitetes Ritterspiel / «Verkleiden»: Kostüme und selbst angefertigte Ritterausrüstungen anziehen, Ritterspiele aufführen.
- Musik aus dem Mittelalter anhören, mittelalterliche Musik (auf Smartphone / mittels Bluetooth-Boxen abspielbar).
Vertiefung nach der Exkursion:
- Poster: Die Schülerinnen und Schüler stellen in Gruppen Exkursionsposter zusammen. Diese können Zeichnungen, Pläne und Beschreibungen enthalten.
- Exkursionsbericht: Die Schülerinnen und Schüler schreiben einen Bericht über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse. Diesen können sie mit Skizzen und Fotos ergänzen.
- Modell einer Burg: Die Schülerinnen und Schüler können in Gruppen im Werkunterricht mit verschiedenen Materialien ein Modell der Ruine Tellenburg herstellen. Das Modell kann beispielsweise in einen Sandkasten mit modellierter Umgebung eingepasst werden.


Mitnehmen
- Zeitstrahl
- Ausschnitt der Landeskarte 1:25 000
- Luftbild Google
- Exkursionsblätter zum Zeichnen und Notieren
- Fotoapparat oder Smartphone
- Feldstecher
- Schreibzeug
- Klappmeter und Messbänder
Bilder
















Download
Anreise
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Mit dem Zug bis Frutigen, dann zu Fuss gegen Süden der «Parallelstrasse» folgen und danach auf die Lötschbergstrasse. Nach der Shell-Tankstelle rechts hoch zur Burgruine (etwa 30 Minuten).
Anfahrt mit dem Auto
Durch Frutigen durchfahren. Beim Dorfausgang, nach der Shell-Tankstelle 100 m weiter und dann rechts auf den Parkplatz fahren. Von dort das letzte Stück zu Fuss hoch zur Burgruine (etwa 10 Minuten).

CC-BY-SA
Konzept: ADB und PHBern
Didaktische Überlegungen: Martin Furer und Pascal Piller, PHBern
Texte «Lage» und «Beschreibung der Burgruine» Martin Furer und Pascal Piller, PHBern; Armand Baeriswyl und Andrea Lanzicher, ADB
Wissenschaftliche Inhalte, Korrektorat: Andrea Lanzicher und Christine Felber, ADB
Titelbild: Martin Furer