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Bern - Mittelland Mittelalter

Klosterruine in Rüeggisberg

Die Klosterruine Rüeggisberg gehört zu den eindrücklichsten Zeugen der Cluniazenserarchitektur in der Schweiz. Die Kirche wurde allerdings nie fertig gebaut und von der Klosteranlage ist nur noch das Nordquerhaus vorhanden, da dieses bis 1940 als Scheune (Haberhaus) genutzt wurde. Das neu eingerichtete Museum und Informationstafeln erläutern die Geschichte und Architektur dieses herausragenden Baudenkmals.

Vorgehen

Bezug heute – früher

Klöster:

Aktiv betriebene Klöster verschiedener Religionen und museale Klosteranlagen finden sich auf der ganzen Welt. Sie liegen sowohl an abgeschiedenen Orten wie auch in historischen Stadtteilen.

Einige Schülerinnen und Schüler kennen Klöster aus eigenen Besuchen und wissen möglicherweise, dass es in allen Weltreligionen Klöster gibt. Sofern dies zutrifft, können sie ihr Wissen austauschen. Ist dies nicht der Fall, können speziell formulierte Aufträge Lernende dazu anleiten, selbständige Recherchen zu machen und diese in der Klasse vorzustellen. Damit könnte später der Transfer zur Klosteranlage von Rüeggisberg hergestellt werden, um weiter über deren Bedeutung im Mittelalter zu sprechen.

Themen, die vorgängig behandelt werden können

Damit die Schülerinnen und Schüler den archäologischen Lernort ergiebiger erkunden, erschliessen und auch begreifen können, macht es Sinn, vorgängig die Thematik «Klosteralltag im Mittelalter» im Unterricht zu beleuchten. Dazu eignet sich besonders das IdeenSet «Alltag im Mittelalter», Kapitel «Kloster»: Selbstlernend können hier die Schülerinnen und Schüler eine Klosteranlage erkunden und sich das nötige Wissen aneignen.

Fragen und Vermutungen

Wo befinden wir uns? Wie ist der Ort in der Landschaft eingebettet?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Bevor ihr mit dem Erkunden beginnt, schaut zusammen auf der Landkarte nach, wo ihr euch befindet und sucht den Standort der Klosterruine von Rüeggisberg.
  2. Betrachtet das Luftbild und sucht darauf die Ruine. Könnt ihr erkennen, wo ihr euch jetzt genau befindet?
  3. Sucht den geeignetsten Standort, von wo aus ihr einen möglichst guten Blick auf die Klosterruine habt und betrachtet diese. Hier könnt ihr eigene Fotos aufnehmen. Sie dienen euch später für eure Exkursionsdokumentation oder für Präsentationen.
  4. Die heutige Strasse verläuft um die Klosteranlage herum. Sucht auf der Karte, wo wohl der ursprüngliche Weg zum Kloster führte.
  5. Fällt euch etwas zur besonderen Lage des Klosters auf?

Fragen und Vermutungen

Was ist da zu sehen: Welche Gebäudeteile, die zur Ruine gehören, sind gut erkennbar? Welche weiteren Spuren sind im Gelände erkennbar? Sind besondere Zusammenhänge feststellbar?

Aufträge und Lernaktivitäten

Die Klosterruine

  1. Begebt euch in die Anlage und erkundet die Ruine von verschiedenen Seiten.
  2. Zeichnet den Grundriss der Anlage.
  3. Nehmt einen Kompass und bestimmt die genaue Ausrichtung der Ruine. Zeichnet in eurem Grundriss den Nordpfeil ein.
  4. Sucht euch einen guten Standort aus, von dem aus ihr eine Skizze der Ruine machen könnt, welche möglichst viel von ihr zeigt.
  5. Betrachtet die Mauern, den Innenraum, die Dachform, die Fenster, die Türen und die schmückenden Bauteile.

Information: Einzigartig ist die Technik, die Pfeiler mit grossen Sandsteinplatten zu verkleiden und damit ein dekoratives Mosaik zu bilden. Sie heben sich deutlich von den übrigen, ursprünglich gänzlich verputzten Bollen- und Bruchsteinmauern ab.

Das Mauerwerk

  1. Schaut euch die Mauern an verschiedenen Stellen der Ruine genau an: Erkennt ihr Unterschiede, wie die Steine verlegt und vermauert worden sind? Wisst ihr gar, wie die Steinsorten heissen?
  2. Findet ihr spezielle Bearbeitungsspuren? Fotografiert diese.
  3. An welchen Mauerteilen haben sicher Steinhauer gearbeitet, welche wurden von Maurern gemacht? Zeigt sie einander und besprecht eure Beobachtungen und Meinungen.

Information: Die Kirche war von Anfang an ausgemalt. Die Malerei bestand aus einer Sockelzone, welche Marmorplatten imitierte, sowie aus einer Abfolge von Einzelbildern. Es sind leider nur wenige Fragmente erhalten geblieben, die man 1944 zum Teil ablöste. Im Museum ist ein eindrückliches Fragment ausgestellt.

Originale Ausmalung

  1. In der Ruine haben sich Reste der ursprünglich reichhaltigen Ausmalung erhalten. Sucht Farbreste der Ausmalung und betrachtet sie auch mit dem Feldstecher. Findet ihr noch zusammenhängende Malereien? Zeigt sie einander.
  2. Überlegt euch, mit welchen Materialien zu dieser Zeit Farben hergestellt wurden?
  3. Im Museum findet ihr ein abgelöstes Teilstück (Fragment) der Baumalerei. Schaut es euch an.

Fragen und Vermutungen

Welchem Zweck könnte die Anlage gedient haben? Wer hat sie gebaut? Welche Spezialisten (Handwerker) haben hier gewirkt? Woher stammen die Baumaterialien? Wie lange hat es wohl gedauert, bis die ganze Anlage erbaut war? Wie alt könnte die Anlage ungefähr sein? Scheint alles gleich alt zu sein?

Aufträge und Lernaktivitäten

Choranlage mit Altarstellen

  1. Vergleicht die Choranlage auf der Fotografie während der Ausgrabung um 1940 mit ihrem heutigen Zustand.
  2. Sucht in der Choranlage die im Boden eingelassenen Rechtecke. Was könnte hier ursprünglich vorhanden gewesen sein? Macht euch Gedanken darüber und teilt sie einander mit.
  3. Vergleicht die heutigen Chormauern der Ruine mit denjenigen auf dem Rekonstruktionsbild auf der Infotafel.

Romanische Fenster

Fenster waren in romanischen Kirchen eher klein, weil man noch kaum Fenstergläser zum Verschliessen der Öffnungen hatte. Sucht das Fenster über dem Portal des Nordquerhauses, das auch auf dem Foto abgebildet ist. Dieses Fenster wurde sehr aufwändig gestaltet.

  1. Betrachtet und skizziert das Fenster möglichst genau. Achtet auf die beiden präzise gehauenen Säulen und die Bögen.
  2. Sucht jetzt weitere Fensteröffnungen in der Ruine und betrachtet, wie sie ins Mauerwerk eingefügt wurden. Vielleicht kennt ihr sogar den Stein: Er heisst Tuffstein (wissenschaftlich Kalktuff genannt).

Blendenbogenfries beim Portal des Nordquerhauses

Diese Bauplastik ist wohl die bemerkenswerteste und qualitätsvollste der ganzen Anlage und ist hier original erhalten. Trotz der Verwitterung des weichen Sandsteins ist der als Flachrelief gearbeitete Fries im Wesentlichen erstaunlich gut erhalten geblieben. Er zeigt dämonische Fabelwesen in Form von geflügelten Raubtieren, vereinzelt mit Drachenschwänzen. Ein gerilltes Flechtband umschliesst die Fabelwesen und verhindert ihr Entrinnen. Stilisierte Vögel füllen einige Medaillonzwickel aus. Ein weiteres Flechtband schliesst den Bogenfries ab.

  1. Betrachtet den verzierten Bogen genau und sucht die am besten erhaltenen Teile mit den Fabelwesen. Benutzt dazu auch den Feldstecher.
  2. Zeichnet eines davon mit dem umgebenden Flechtband genau ab. Was wird hier dargestellt? Besprecht es untereinander.
  3. Wozu befindet sich über dem Fries eine gebogene Platte?

Bauplastik und Baudetails

  1. Sucht die auf den Fotos abgebildeten, behauenen Steine in der Ruine.
  2. Geht danach ins Museum und betrachtet die Originale. Warum wurden diese Originale durch Kopien ersetzt?
  3. Zeichnet eine der Steinhauerarbeiten, die euch besonders gefällt, genau ab.

Verzierungen unterhalb des Daches

Die Wand unterhalb des Daches wurde mit einem besonders gestalteten Fries abgeschlossen.

  1. Sucht diesen Fries und betrachtet ihn mit dem Feldstecher: Ihr könnt unter den Blendbögen noch besondere Formen erkennen. Macht euch eine genaue Skizze davon. Was könnten sie darstellen?

Maueranker und Zugstangen

  1. Findet ihr an den Aussenseiten der Mauern die verschiedenen s-förmige Eisen?
  2. Überlegt euch, wozu man diese angebracht hat. Geht in die Kirchenruine und sucht die Stange, welche unterhalb des Bogens eingespannt ist: Hier findet ihr wohl eine Erklärung. Welche?

Auftrag zum Klassengespräch

  1. Überlegt euch Antworten auf die folgenden Fragen für das Klassengespräch: Wofür wurde die Ruine verwendet? Wer hat das Gebäude errichten lassen? Wer könnte den Auftrag dafür gegeben haben? Welche Spezialisten (Handwerker) brauchte es dazu? Schreibt diese auf. Woher wurden die Baumaterialien hergeholt? Wie lange hat es wohl gedauert, bis beispielsweise die Kirche erbaut worden war? Warum ist diese ganze Anlage heute eine Ruine?
  2. Setzt euch jetzt mit den anderen Schülerinnen und Schülern zusammen. Legt eure Skizzen nebeneinander und vergleicht sie.

Fragen und Vermutungen

Wie kann die Anlage kulturgeografisch und zeitlich/geschichtlich verortet werden? Welche sozialen Bezüge sind mit dieser Anlage verbunden? Wie hat man sich die Anlage in ihrem Originalausbau vorzustellen?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Das Rekonstruktionsbild der Klosteranlage wurde nach den neuesten Erkenntnissen der archäologischen Untersuchungen erstellt. Vergleicht es mit der heutigen Ruine und färbt mit einem Stift an, was heute fehlt.
  2. Vergleicht das Rekonstruktionsbild mit dem Kartenausschnitt von Rüeggisberg. In welche Himmelsrichtung zeigt die Choranlage? Habt ihr eine Idee, wieso sie in diese Richtung (nach Osten) zeigt?
  3. Findet ihr den Standort des neuen Museums? Markiert ihn auf dem Rekonstruktionsbild.
  4. Studiert die verschiedenen Informationstafeln mit den Rekonstruktionsbildern und vergleicht diese mit den Überresten. Färbt auf euren Arbeitsblättern rot an, was heute nicht mehr zu sehen ist.
  5. Sucht danach auf dem ausgelegten Zeitstrahl möglichst genau die Epoche, welche zu diesem archäologischen Fundort passen könnte. Welche Bauwerke, die ihr kennt, gehören auch in diese Epoche?
  6. Überlegt euch: Welche Menschen haben früher diesen besonderen Ort genutzt, wie haben sie gelebt, woher kamen sie?

Anregungen für ein Klassengespräch

Warum und wozu wurde dieses Kloster wohl errichtet?
Das Kloster wurde hier erbaut, weil es von einem reichen Ritter aus Rümligen an den mächtigen Mönchsorden der Cluniazenser aus dem Burgund (F) gestiftet worden war. Es diente den Mönchen zum Gebet, aber auch für die Verwaltung weiterer Gebiete, die der Ritter den Cluniazensern geschenkt hatte. Alle hier lebenden Bauersfamilien mussten dem Kloster Abgaben entrichten.
Das Kloster bot möglicherweise auch Schutz vor Gewalt und Unsicherheit und diente als Herberge für Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela.

Warum an dieser Stelle?
Das Kloster wurde an einem sehr gut ausgewählten Platz errichtet: Es liegt von weit her sichtbar auf der Geländeterrasse oberhalb des Muribodens. Die Klosterkirche repräsentierte auch die kirchliche Macht in der weiteren Umgebung und hob sich von den einfachen, ländlichen Holzbauten stark ab. Vergleichbar waren Burgenbauten, welche die weltliche Macht des Adels repräsentierten.

Wer hat dieses Kloster gebaut?
Da die Errichtung einer solchen Anlage in der Planung und Durchführung der Bauarbeiten sehr anspruchsvoll war, bedurfte es verschiedener und erfahrener Fachleute: eines sehr gut ausgebildeten Architekten/Baumeisters, des sogenannten magister operis, und eines professionellen Bautrupps, welcher Erfahrung im Errichten einer so grossen und in der Gestaltung komplexen Kirche hatte. Dazu gehörten ausgebildete Maurer, Kalk- und Ziegelbrenner, Steinmetze, Schmiede, Zimmerleute und Dachdecker.
Weiter benötigte man viele Hilfskräfte aus der Gegend, welche das Baumaterial beschaffen mussten. Anzunehmen ist, dass die körperlich schwersten Arbeiten, insbesondere das Brechen und Herbeischaffen der Sandsteine und der Bruch- und Geröllsteine, von ansässigen Männern mithilfe von Ochsenkarren erledigt wurden.
Ebenso bedurfte es einer sehr grossen Menge an Bauholz, welches in den umgebenden Wäldern geschlagen, gerüstet und hergeschleift werden musste. Es diente als Bauholz für Gerüste, Lehrbögen für Gewölbekonstruktionen, für Holzdecken und für die komplexen Dachstühle.
Auf der Baustelle arbeiteten die Spezialisten unter der Aufsicht und Führung des Baumeisters. Zur Verpflegung der vielen Arbeitenden sorgten Köche und Mägde. Die Nahrungsmittel lieferten die Dörfer, welche zum Klosterbesitz gehörten.

Wer lebte hier im Kloster?
Ein Prior (Vorsteher der Klostergemeinschaft) und nur wenige Mönche, da das Kloster wohl in einer zu armen und zu abgelegenen Region lag.
In den Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts, als Teile des Klosters sogar stark beschädigt waren, lebten Bauersfamilien mit ihren Tieren in den nutzbaren Teilen der Anlage.
Nach der Aufhebung des Klosters wohnte ein Schaffner mit seiner Familie im Kloster und verwaltete den Klosterbesitz für das Vinzenzstift des Berner Münsters.

Warum ist diese ganze Anlage heute eine Ruine?
Nach der Berner Reformation 1528, der Ablösung von der Katholischen Kirche, wurden im bernischen Staatsgebiet alle Klöster aufgehoben. Da es für die Bevölkerung genügend Stadt- und Dorfkirchen gab, beschloss der Bernische Rat, die Klosterkirchen entweder anderweitig zu nutzen oder abzubrechen, um Unterhaltskosten zu sparen. Dies geschah auch in Rüeggisberg: Nur das Nordquerhaus «überlebte», weil man darin Getreide lagerte. Deshalb hiess der übriggebliebene Rumpfteil der ehemals mächtigen Anlage im Volksmund «Haberhuus». Dieser Gebäudeteil hat sich dadurch fast 1000 Jahren lang kaum verändert.
Das Klostergebäude wurde 1541 zur Wohnung für den Ortspfarrer bestimmt. Das sogenannte Stiftsgebäude beherbergte seit 1834 eine «Erziehungsanstalt für verwahrloste Mädchen» und brannte 1875 ab.

Vertiefung vor Ort

  • Im Nordquerhaus kann die Akustik der Klosterkirche nachempfunden werden: Hier könnte man mit einer Bluetooth-Box einen gregorianischen Mönchsgesang abspielen, damit die Schülerinnen und Schüler ein authentisches Klangerlebnis der romanischen Epoche erhalten.
  • Besuch des angrenzenden Museums.

Vertiefung im Schulzimmer

  • Poster: Die Schülerinnen und Schüler stellen in Gruppen Exkursionsposter zusammen. Es kann Zeichnungen und Pläne der Klosteranlage sowie Beschreibungen enthalten.
  • Exkursionsbericht: Die Schülerinnen und Schüler schreiben einen Bericht über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse. Diesen können sie mit Skizzen ergänzen.
  • Recherchearbeit: Die Schülerinnen und Schüler tragen eine Auswahl von bekannten Klöstern im Kanton Bern und Umgebung zusammen, insbesondere zu denjenigen von Romainmôtier, Payerne und auf der St. Petersinsel. Anschliessend vergleichen sie die Klosteranlagen mit der von Rüeggisberg.
  • Recherchearbeit: Heute noch aktiv betriebene Klöster in der Schweiz ausfindig machen und sich die Frage stellen, warum sie nicht im Kanton Bern liegen.

In der näheren Umgebung

  • Die Pfarrkirche von Rüeggisberg bietet der Klasse Gelegenheit, das zwar mehrfach veränderte Gotteshaus aus der Zeit des Priorats im Dorfzentrum zu besichtigen. Die Schülerinnen und Schüler können sich hier eine Vorstellung über den erhaltenen Kirchenraum machen.

Mitnehmen

  • Bleistift, Farbstifte, Radiergummi, Feldstecher, Notizpapier
  • Rekonstruktionsbilder zum Einzeichnen der Überreste
  • Kartenausschnitt und Luftbild (ausgedruckt)
  • Fotoapparat oder Smartphone
  • Kompass, Messbänder, Klappmeter
  • Musikbox (Bluetooth) mit gregorianischer Musik
  • Zeitstrahl

Bilder

Download

Anreise

Die Klosterruine befindet sich am südlichen Ausgang des Dorfes Rüeggisberg. Rüeggisberg ist mit dem Postauto von Köniz und Riggisberg her gut erreichbar. Für Cars oder Kleinbusse steht ein Parkplatz zur Verfügung (zum Fahrplan).


CC-BY-SA
Konzept: ADB und PHBern
Didaktische Überlegungen, Text: Martin Furer und Pascal Piller, PHBern
Wissenschaftliche Inhalte, Korrektorat: Andrea Lanzicher und Christine Felber, ADB
Titelbild: © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Philippe Joner

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