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Bern - Mittelland Gallo-Römische Zeit

Römerbad von Münsingen

An der westlichen Hangkante des Dorfkerns von Münsingen, im Bereich der heutigen Kirche und der ehemaligen Tabakfabrik, befand sich spätestens ab Ende des 1. Jahrhundert n. Chr. ein herrschaftlicher und grossflächiger Gutshof, eine sogenannte villa rustica. Die genaue Ausdehnung und Struktur konnte bis heute noch nicht vollständig erfasst werden. Der Gutshof gehörte zu einer Reihe von ähnlichen römischen Landwirtschaftsbetrieben, die sich an der Strassenverbindung von der gallo-römischen Siedlung Brenodurum auf der Berner Engehalbinsel nach Thun aneinanderreihten.

Der bislang spektakulärste Überrest der villa rustica bildet das 1941 zufällig entdeckte Bad mit seinen aufwendigen und kostbaren Mosaiken. Es wurde an seinem Fundort sorgfältig geborgen und bis 1999 im Bernischen Historischen Museum ausgestellt. Hier obsolet geworden, wurde ein sicherer Standort wiederum in Münsingen gesucht, welcher im Gelände der Firma USM gefunden werden konnte. Hier kann das archäologische Präparat der beiden Badebecken heute in einem dafür erstellten Schutzpavillon besichtigt werden.

Vorgehen

Bezug heute – früher

Baden
Bei uns gehören heute Bade- und Duschanlagen zur Grundausstattung einer Wohnung. Es ist selbstverständlich, dass wir neben Kalt- immer auch genügend Warmwasser benutzen können. Daneben stehen vielerorts saisonal geöffnete Freibäder oder sogar geheizte Schwimmbäder zur Verfügung. Dass dies jedoch erst in den letzten gut 100 Jahren nach und nach möglich wurde, darf vor dem Besuch des Römerbades kritisch beleuchtet werden. Gerade auch deshalb, weil diese Selbstverständlichkeit für den Grossteil der Weltbevölkerung nie erreicht werden kann und somit ein unvorstellbarer Luxus bedeutet. Genauso verhielt es sich mit dem luxuriösen Privatbad einer privilegierten Oberschicht zum sehr einfachen Alltag der gallo-römischen Landbevölkerung.

Mosaiken
Jede Nasszelle in unseren Wohnungen ist mit Keramikplatten geschützt. Bei reichen Ausführungen finden sich auch Echtsteinbelegungen. Mosaiken werden bei uns aus Kostengründen nur sehr selten gelegt.
Die Mosaiken in römischen Bädern, insbesondere mit reichen ornamentalen oder figuralen Dekorationen, gehören zum wirklichen Luxus der römischen Baukultur. Nur sehr reiche Privatpersonen konnten sich diesen auch leisten. Die nicht seltenen Funde von teilweise hervorragenden und grossflächigen Mosaiken in unserer Gegend zeigen uns jedoch auf, wie begütert die römischen Besitzer der villae rusticae gewesen sein mussten. (etwa Mosaiken in den Gutshöfen von Toffen, Bümpliz, Kleinwabern, Kallnach, Vallon, Yverdon, Boscéaz)

Themen, die vorgängig behandelt werden können

Damit Schülerinnen und Schüler das zu besuchende, archäologische Präparat ergiebiger erkunden, erschliessen und auch begreifen können, macht es Sinn, vorgängig folgende Themen im Unterricht zu beleuchten:

Aufbau, Form und Architektur des römischen Gutshofs
Wie kann eine villa rustica ausgesehen haben? Siehe dazu die Beschreibungen und Bildergalerie unter:

Nutzung
Wozu dienten diese Gutshöfe? Zu welcher Bevölkerungsgruppe gehörten die Besitzer und ihre Familien? Wer bewirtschaftete die Ländereien? Wo gab es in unserer Umgebung solche Gutshöfe?

Öffentliche und private Bäder
Wie haben einfachere Thermenanlagen und private Bäder ausgesehen? Wie wurden sie benutzt? Wo konnte warm gebadet werden? Wie wurden sie beheizt? Woher kam das Badewasser / wie wurde es zugeführt? Siehe dazu die Beschreibungen und Bildergalerie unter:

Mosaiken
Wie wurden Mosaiken geplant und gelegt? Welche Materialien gehören zu einem Mosaik? Welche KunsthandwerkerInnen haben daran welche Arbeiten durchgeführt? Siehe dazu die Beschreibungen und Bildergalerie unter:

Hilfreiche Lehrmittel

Zur Erarbeitung und zur selbständigen Vertiefung dient das IdeenSet «Gallo-römische Zeit», speziell das darin enthaltene Römerlexikon. Darin finden die Lernenden ausführliche, stufengerechte Texte, ergiebiges Bildmaterial und sie können Vergleiche mit heute herstellen.

Sowohl für den thematischen Unterricht im Klassenzimmer wie auch für die Exkursion zum Bad und seinen Mosaiken eignet sich der Archäologiekoffer «Die Römer» mit Artefakten, wie gerade die für diese Exkursion dienlichen, echten Mosaiksteinchen!

Fragen und Vermutungen

Wo befinden wir uns? Wie ist der Ort in der Landschaft eingebettet?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Bevor ihr mit dem Erkunden beginnt, schaut ihr zusammen auf der Landkarte nach, wo ihr euch jetzt befindet und sucht den heutigen Standort der Badeanlage. Danach sucht ihr den Standort der Dorfkirche Münsingen. Dort wurden diese Resten gefunden! Das ist ja wohl etwas eigenartig: Was könnten Gründe dafür sein? Besprecht diese Frage miteinander.
  2. Betrachtet das Flugbild und sucht darauf die beiden Standorte. Seht ihr, wo ihr euch jetzt genau befindet?
  3. Sucht den geeignetsten Punkt, von wo aus ihr möglichst die beiden Badebecken seht. Hier könnt ihr ein gutes Gesamtbild aufnehmen. Fotografiert anschleissend Details, die euch auffallen.

Fragen und Vermutungen

Was ist da zu sehen? Was nehmen wir hier Besonderes wahr? Welche Materialien (Glas, Beton, Metall, Steine, Backsteine, Mörtel und so weiter) sind bei der Anlage feststellbar? Sind besondere Zusammenhänge zu erkennen? Was sind wohl originale Teile der römischen Anlage?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Geht langsam um die Abschrankung und verschafft euch einen ersten Überblick.
  2. Erstellt eine Skizze der ganzen Anlage (Situationsplan).
  3. Danach messt ihr die Anlage mit Messband und Klappmeter aus. Notiert euch die Masse (Länge, Breite, geschätzte Tiefe) auf eure Übersichtskizze.
  4. Schaut euch die Überreste genau an: Erkennt ihr Teile, die sicher nicht alt, sondern erst kürzlich erbaut worden sind, und die Teile, die euch alt erscheinen?
  5. Untersucht die Baumaterialien: Erstellt eine Liste der verwendeten Baumaterialien und versucht sie zu ordnen: Was ist modern, was ist wohl alt?
  6. Die Böden sind aus unzähligen kleinen Steinchen gefertigt. Könnt ihr abschätzen/berechnen, wie viele Steinchen es etwa sind?
  7. Welche Farben könnt ihr bei den einzelnen Steinchen erkennen und welche Farbe kommt am häufigsten vor?
  8. Überlegt euch Antworten zu folgenden Fragen: Warum ist die Anlage so geschützt? Wo erkennt ihr die schützenden Teile? Zeigt sie einander.

Fragen und Vermutungen

Welchem Zweck könnte die Anlage gedient haben? Wer hat sie gebaut? Welche Spezialisten (Handwerker) haben hier gewirkt? Woher stammen die Baumaterialien? Wie lange hat es wohl gedauert, bis die ganze Anlage erbaut/erstellt war? Wer hat hier gelebt und gehandelt? Wie alt könnte die Anlage ungefähr sein?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Erstellt eine Skizze der Anlage, wie sie bei ihrer Vollendung ausgesehen haben könnte. (Keine allzu genauen Details!)
  2. Überlegt euch folgende Fragen für das anschliessende Klassengespräch:
    • Wofür wurde die Anlage wohl verwendet?
    • Wer hat den Auftrag gegeben, diese Anlage zu bauen?
    • Woher wurden die verschiedenen Baumaterialien hergeholt? (Hier braucht ihr eure Liste der zusammengestellten Baumaterialien).
    • Wie nennt man solche Steinbilder der Anlage?
    • Welche Spezialisten brauchte es, um die Steinbilder zu legen? Woher kamen die verschiedenfarbigen Steinchen?
    • Könnt ihr euch vorstellen, wie lange es wohl gebraucht hat, bis die Anlage fertig erbaut war?
    • Wer hat diese Anlage gebraucht? 
  3. Setzt euch jetzt mit den anderen Schülerinnen und Schülern zusammen. Legt eure Skizzen nebeneinander und vergleicht sie.
  4. Besprecht und begründet gemeinsam die oben gestellten Fragen.

Fragen und Vermutungen

Wie kann die Anlage kulturgeografisch und zeitlich/geschichtlich verortet werden? Welche sozialen Bezüge sind mit dieser Anlage verbunden? Wie hat man sich die Anlage in ihrem Originalausbau vorzustellen?

Aufträge und Lernaktivitäten

  1. Sucht auf dem Zeitstrahl möglichst genau die Epoche, welche zu diesem archäologischen Fundort passt. 
  2. Betrachtet die Rekonstruktionszeichnung und vergleicht sie mit euren Skizzen und mit den Überresten: Stellt fest, was von der Anlage heute noch vorhanden und was möglicherweise rekonstruiert worden ist!
  3. Überlegt euch nochmals:
    • Für wen diente dieses Bad?
    • Wie viele Leute konnten gemeinsam im Bad sitzen und wieso könnte das wichtig gewesen sein?
    • Wer pflegte und reinigte es wohl?
    • Woher kam das Badewasser?
    • Wie konnte das Bad geheizt werden?
    • Warum wohl war es so besonders schön gestaltet? 

Fragestellungen und Reflexionen im Klassengespräch für den Lernort «Römerbad von Münsingen»

Für wen diente das Bad?
Mögliche Antworten: Für den römischen Gutsherrn und seine Familie. Vorstellbar ist, dass das prächtige Bad auch engeren Freunden und Bekannten zur Verfügung stand und zu Besprechungen genutzt wurde. Es diente ebenfalls als Repräsentationsort, der sicher gerne gezeigt wurde. Man schliesst seinen Ferrari auch nicht nur in der Garage ein!

Warum findet man praktisch bei jedem römischen Gutshof auch Mosaiken und Badeanlagen?
Mögliche Antworten: Mosaiken waren die kostbarsten Bodenbeläge in der römischen Kultur, gehörten so auch zum Standard von Wohnluxus und viele Mosaiksujets zeigten sicher auch auf, wie gebildet die Besitzenden sein mussten, um gewisse Darstellungen – oft mythologische – zu verstehen.

Warum ist vom Gutshof, dem originalen Standort des Bades, praktisch alles verschwunden?
Mögliche Antworten: Die Bauten wurden wohl nach Aufgabe und Zerfall in späterer Zeit als «Baumateriallager» ausgebeutet und bei der langandauernden landwirtschaftlichen Nutzung eingeebnet.

Was wäre allenfalls noch vorhanden / was könnte vielleicht noch gefunden werden?
Mögliche Antworten: Der römische Gutshof von Münsingen ist in seiner ganzen Ausdehnung noch nicht erfasst worden. Der Wissensstand beruht auf punktuellen Notgrabungen und Zufallsfunden. Sicher wurde bei Bauarbeiten der Kirchgruppe von Münsingen vieles zerstört. Gerade bei einer Notgrabung 2020/21, im Zusammenhang mit einem Strassenbau unterhalb der Kirche, konnten weitere, interessante und somit aufschlussreiche Funde zum Gutshof gemacht werden. Siehe unter:

Welche Fakten können zu einem möglichst sicheren Rekonstruktionsbild einer Badeanlage führen?
Mögliche Antworten: Anhand vieler bekannter Vergleichsfunde von Privatbädern und Thermen, wie etwa bei der Thermenanlage auf der Engehalbinsel von Bern in der gallo-römischen Kleinstadt Brenodurum, kann heute ein recht sicheres Bild dieser Badeanlage gemacht werden.

Vertiefung vor Ort

Meerestiere:
Die Darstellungen der Meereslebewesen sind sehr genau. Die Lernenden können sich zuerst eine Übersicht über dieses Mosaik machen. Danach feststellen lassen, welche Tiere dargestellt sind:
(27 unterschiedliche Fische, darunter Aale und Störe. Weiter finden sich zwei stilisierte Delfine sowie zwei europäische Langusten.)

  • Fotos von diesen Meerestieren mitbringen und diese im Mosaik suchen und vergleichen.
  • Feststellen, dass Delfine keine Fische sind, wohl aber als solche in der römischen Zeit wahrgenommen wurden.
  • Sich die Frage stellen, woher wohl die Mosaizisten wussten, wie Meerlebewesen aussehen, wenn wir uns hier doch viele hundert Kilometer weg von einem Meer befinden!
  • Schülerinnen und Schüler ein einziges Meerlebewesen auslesen und dieses möglichst präzise farbig abzeichnen lassen. Sie können so die hervorragende anatomische Darstellung erkennen: etwa die Brust-, Rücken-, Schwanz-, After- und Bauchflossen oder die typische Stellung von Maul und Kiemen bei den Fischen!
Ausschnitt aus dem Mosaik des Kaltbades mit Delfin, Languste und Fischen. CC-BY-SA Martin Furer

Farben der Mosaiksteinchen:
Zusammentragen, wie viele verschiedene Farben bei den Mosaiksteinchen feststellbar sind (Gruppenarbeit: Zweiergruppen untersuchen etwa die Farben der Fische/Langusten/Vasen/Blattranken und die Farben beim Oceanuskopf und so weiter)

Besonderheiten der Mosaiken:

  • Schülerinnen und Schüler feststellen lassen, dass es im Mosaik der Meerestiere eine Spiegelachse gibt und genau betrachten, wo sie abweicht.
  • Die beiden Vasen (Krater) miteinander vergleichen und Abweichungen feststellen.
  • Feststellen, wo und wie die RestauratorInnen Fehlstellen ergänzten, damit das Gesamtbild erfasst werden kann.

Ergänzen, rekonstruieren, kopieren:
Überlegen, wie der Oceanuskopf vollständig ausgesehen haben könnte. Wenn vorhanden, Fotokopie des Oceanuskopfs vervollständigen.

  • Die verschiedenen Dekorfriese beim Oceanusmosaik fotografisch oder zeichnerisch festhalten. Das Blattrankenfries weiterzeichnen.
  • Mit mitgebrachten, schwarz-weiss eingefärbten Holzwürfeln die einfachen Dekorfriese im Oceanusmosaik ausschnittweise nachlegen lassen.

Vertiefung im Schulzimmer

Baden zur Römerzeit mit Baden heute vergleichen

  • Badeanlagen heute/früher vergleichen: Parallelen und Abweichungen feststellen. Heutige Freibäder mit dem römischen Privatbad vergleichen.
  • Ausstellung der einzelnen abgezeichneten Meereslebewesen zusammenstellen.
  • Selber einige Dekorfriese mit schwarz-weiss eingefärbten Holzwürfeln nachlegen.
  • Ein eigenes Mosaik entwerfen und mit Kunststeinen (aus Bastelbedarf) legen.
  • Weitere römische Mosaiken aus der Schweiz im Internet suchen und mit denjenigen von Münsingen vergleichen.
    (etwa Mosaiken aus den Gutshöfen von Toffen, Bümpliz, Kallnach, Vallon, Yverdon oder Boscéaz)
  • Vertiefende Texte im Römerlexikon lesen und Bildstrecke zu Mosaiken betrachten.

einfaches Mosaik legen

Mit vorzugsweise schwarz-weiss eingefärbten Holzwürfeln (im Bastelbedarf erhältlich) lassen sich einfache Mosaikmuster legen und die Lernenden können dabei erahnen, wie aufwendig und auch schwierig es sein musste, grosse Mosaikflächen zu legen.

In der näheren Umgebung

Der ursprüngliche Fundort des Mosaiks kann besucht werden (etwa 20 Minuten zu Fuss entfernt), südlich der Kirche von Münsingen, am Gerbegraben 4, beim Eingang zur ehemaligen Tabakfabrik. Dort können die Geschichte der Entdeckung erzählt und Bilder der Ausgrabung und des Abtransports der Mosaiken gezeigt werden (siehe Bilder und Download).

Mitnehmen

  • Bleistift, Farbstifte, Radiergummi und Notizheft
  • Zeitstrahl
  • Fotos von Aal, Stör, Delfin sowie einer europäischen Languste
  • Rekonstruktionszeichnung
  • Ausschnitt des Oceanusmedaillon als Vorlage zum Vervollständigen
  • Blattrankenfries zum Weiterzeichnen
  • Fotoapparat oder Smartphone
  • Messband/Doppelmeter
  • eventuell Text «Die Odysee des Römermosaiks» (Seite 52-53, ausgedruckt)
  • eventuell Bilder des Abtransports (ausgedruckt)

Bilder

Download

Anreise

Areal der Firma USM, Thunstrasse 55, 3110 Münsingen: Die Mosaiken befinden sich auf dem USM-Areal (2) (Kantonsstrasse Richtung Wichtrach). Parkplätze sind vorhanden. Zu Fuss sind die Mosaiken in 15 Minuten ab dem SBB-Bahnhof Münsingen (1) erreichbar. (zum Fahrplan)

Öffnungszeiten: Der Schutzbau für die Mosaiken steht im Sommerhalbjahr von Ostern bis Ende Oktober jeweils von Montag bis Donnerstag von 8–17 Uhr und freitags von 8–16 Uhr, an Sonn- und Feiertagen (ohne 1. August) von 14–17 Uhr den Besucherinnen und Besuchern offen. In der Winterzeit werden die Mosaiken jeweils mit einer Schutzdecke überzogen und können deshalb nicht besucht werden.

Die zusammenhängenden Badebecken sind gut ersichtlich. Das Betreten der Mosaiken ist untersagt! Jüngere Schülerinnen und Schüler können auf die moderne Einfassung knien, um die Details besser zu sehen.


CC-BY-SA
Konzept: ADB und PHBern
Didaktische Überlegungen, Text: Martin Furer und Pascal Piller, PHBern
Wissenschaftliche Inhalte, Korrektorat: Andrea Lanzicher und Christine Felber, ADB
Titelbild: Martin Furer

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